Interviewerin: Katrin Hasler
Jazmine, ich kenne dich als Art Director. Was machst du heute?
Gerade tauche ich tief ins Thema KI ein und beobachte, wie sich unsere Branche verändert – deshalb nenne ich mich inzwischen auch Creative Technologist. Wie bei jedem technologischen Fortschritt im kreativen Bereich ist es so, dass Unternehmen neue Technologien spannend finden und schnell erkennen, dass sie gewisse Prozesse vereinfachen können. Oft denken sie dann, dass sie alles selbst machen können und keine Expertinnen und Experten mehr brauchen. Das ist eine gefährliche Mischung – denn wir Kreativen bringen nicht nur Erfahrung, sondern auch Expertise mit: ein geschultes Auge für Ästhetik, Fachwissen, ein Gespür für Trends und so weiter. Das bleibt entscheidend, wenn man wirklich gute Resultate erzielen will.
Du denkst also, KI wird überschätzt?
Nur weil ich ChatGPT nach Symptomen einer Krankheit fragen kann, heisst das nicht, dass ich keinen Arzt mehr brauche. Ähnlich ist es mit Design: Ästhetik ist ein grosser Teil unseres Alltags. Wir wissen, was schön ist, was zusammenpasst – und für Menschen, die in dem Bereich nicht geübt sind, kann das schnell zu einem «Blindspot» werden.
Wir haben einige Zeit bei ruby. zusammengearbeitet. Woran denkst du gerne zurück?
Ich habe mich sehr gefreut, damals die Möglichkeit zu bekommen, von der Grafikdesignerin auf das Niveau einer Art Director aufzusteigen. Wir waren ein kleines Team und haben viele Hüte getragen – genau solche Positionen mag ich. Wenn ich in verschiedene Richtungen denken und arbeiten kann, macht das meinen Alltag dynamisch und erweitert mein Skill-Set. Ich bin ein Allrounder – das wirkt manchmal gegen mich auf dem Arbeitsmarkt, weil oft Spezialistinnen und Spezialisten gesucht werden. Aber gerade im Agenturumfeld finde ich es sehr praktisch, wenn ich am Montag ein Logo gestalte, am Dienstag eine Social-Media-Kampagne konzipiere und am Mittwoch Wireframes für eine Website erstelle. Natürlich dauert alles länger als einen Tag – aber du weisst, was ich meine. (lacht)
Du bist also gerne Allrounderin?
Ich finde es extrem wertvoll, in so viele Bereiche Einblick zu haben und Erfahrung zu sammeln. Dadurch verstehe ich die Zusammenhänge viel besser als jemand, der nur in einem Bereich arbeitet. Wenn ich ein Branding-Projekt vor mir habe, denke ich vom allerersten Workshop über das Logo und den Claim bis hin zur Website und den Social-Media-Auftritt nach. Es beginnt oft klein und wirkt einfach – aber ein guter Branding-Workshop ist der Schlüssel zu allen weiteren Elementen und legt die Persönlichkeit einer Marke fest. Ein Logo ist dabei ein wichtiges Element für die Wiedererkennung – aber genauso wie bei einem Menschen ist die Persönlichkeit viel mehr als nur das Gesicht.
Wie verändert sich die Rolle von Designern aktuell?
Wir sind heute immer öfter Kuratorinnen und Kuratoren. Wir brauchen zunehmend ein geschultes Auge für Selektion und Konzeption – also ein «editing eye» – und weniger den Fokus auf technische Umsetzung im Detail. Natürlich muss man immer noch die Werkzeuge beherrschen, aber moderne Technologien – besonders KI – erlauben uns, bei gewissen Aufgaben viel Zeit zu sparen. Diese gewonnene Zeit können wir für das grosse Ganze nutzen oder für experimentelle, kreative Ansätze einsetzen.
Welche Rolle spielt dabei KI für dich?
KI sollte nicht als Entwertung unserer Arbeit gesehen werden, sondern als Erweiterung. Leider gibt es immer noch Kundinnen und Kunden, die denken, dass es weniger kosten sollte, nur weil es schneller geht oder weil bestimmte Tools zur Verfügung stehen. Aber das stimmt so nicht – denn diese Zeit nutze ich, um Neues auszuprobieren oder zusätzliche Elemente einzubringen, die früher aus Zeitgründen gar nicht möglich gewesen wären. Es gibt aber auch Kundinnen und Kunden, die sich sehr für diese Entwicklungen begeistern und offen sind, mit KI zu experimentieren oder Pilotprojekte zu starten. Das empfinde ich als sehr erfrischend – wenn jemand bereit ist, neue Wege zu gehen und gemeinsam etwas Neues zu schaffen.
Und wo siehst du Grenzen von KI?
Eine Grenze liegt darin, dass wir gegenüber unseren Kundinnen und Kunden unsere Werte und unsere kreative Arbeit weiterhin vertreten und begründen müssen, auch wenn KI involviert ist. Ausserdem bin ich überzeugt: Gute Grundlagen dürfen nicht unterschätzt werden. Es hat enormen Wert, fachlich gut ausgebildet oder in einem Bereich wirklich geübt zu sein. KI ist ein Tool – und sollte auch genau so verstanden werden. Ein Werkzeug, das uns unterstützt und befreit, aber nicht ersetzt. Gerade als Kreative oder Künstlerinnen dürfen wir den menschlichen Aspekt nicht verlieren. Wir sind (noch) nicht mit der Technik verschmolzen – und genau dieses Menschliche ist es, was unsere Arbeit berührend und besonders macht. Vielleicht werde ich jetzt etwas philosophisch – aber ich glaube fest daran, dass wir diesen Teil bewusst pflegen müssen.
Du hast letztes Jahr für ein Kundenmagazin Illustrationen mit KI erstellt. Was hast du dabei gelernt?
Das war ein echter Lernprozess. Ich musste viel ausprobieren, bis ich einen Stil gefunden hatte, der konsistent durch alle Illustrationen erkennbar war. Neulich habe ich dann etwas mit Midjourney für meine Tochter gemacht – und war erstaunt, wie stark sich die Resultate in kurzer Zeit verbessert haben. Heute kann man einen visuellen Stil oder ein konkretes Vorbild als Referenz eingeben, und das Ergebnis kommt dem Original sehr nahe. Noch vor einem Jahr war das ganz anders. Oder vor zwei Jahren – da musste man noch mit Stable Diffusion auf dem eigenen Server arbeiten, eigene Modelle trainieren… Das war technisch und zeitaufwändig. Heute reicht ein Abo bei Midjourney oder Adobe Firefly – das zeigt, wie rasant sich alles entwickelt und wie stark diese Tools demokratisiert werden. Mit Sora steht bereits die nächste Entwicklung bevor: KI-generierte Videos. Das ist beeindruckend – und es wird vieles verändern.
Es ist schon heute schwierig, echt und künstlich zu unterscheiden. Was sind deine Gedanken dazu?
Ja, das stimmt. Auf TikTok kann man heute schon Avatare von realen Personen erstellen und beliebige Texte sprechen lassen. Da kommen wir an den Punkt, an dem es nicht mehr nur um Design oder Kreativität geht – sondern um Wahrheit, Vertrauen, Fake News. Die Grenze wird flüssig. Wenn wir als Gesellschaft nicht früh genug lernen, kritisch mit digitalen Inhalten umzugehen – besonders in Bezug auf KI – dann wird es gefährlich. Wir glauben, was wir sehen. Und das kann ausgenutzt werden. Ich sehe da eine grosse Verantwortung in der Bildung: Kritisches Denken muss früh gefördert werden – vor allem im digitalen Kontext. Ich denke, Generation X und Millennials haben das relativ gut gelernt. Wir sind mit dem Aufkommen der Technologie aufgewachsen und wissen, dass online nicht alles der Wahrheit entspricht. Unsere Eltern hatten diesen Übergang nicht – und leider scheint auch Gen Z Schwierigkeiten zu haben, zwischen real und manipuliert zu unterscheiden. Ich hoffe sehr, dass Gen Alpha als «KI-Natives» einen bewussteren und kritischeren Umgang entwickeln kann. Aber bis dahin haben wir noch einige Hürden zu meistern.
Wie stehst du zu KI-generiertem Content auf Social Media? Chance oder kreativer Rückschritt?
Ich folge seit einiger Zeit einigen KI-Künstlerinnen und -Künstlern und finde ihren Content unglaublich fantasievoll und inspirierend – zum Beispiel @parallel.fbx, @sarashakeel oder @novosyna, um nur einige zu nennen. Ich habe das Gefühl, dass die allgemeine Glaubwürdigkeit von KI in der Gesellschaft noch nicht ganz angekommen ist – viele Menschen bleiben skeptisch. Doch gerade diese Künstlerinnen und Künstler auf Instagram zeigen, welches kreative Potenzial KI im künstlerischen Kontext haben kann. Sie machen die Technologie zugänglicher und lassen sie weicher in unseren Alltag einfliessen, finde ich.
Und im Marketingbereich?
Da denke ich oft: «Wow, wie mutig!» Gleichzeitig ertappe ich mich auch bei dem Gedanken: «Man sieht halt schon, dass es KI ist.» Diese Ambivalenz ist, glaube ich, auch ein Spiegel der öffentlichen Wahrnehmung. Es wird wohl noch eine gewisse Zeit brauchen, bis KI vollständig akzeptiert ist – aber Kunst kann helfen, sie im visuellen Feld zu verankern und neue Perspektiven zu eröffnen. Mich erinnert das ein wenig an die Anfangszeit der Fotografie. Auch sie wurde anfangs belächelt oder als «nicht künstlerisch» abgetan, weil sie zu realistisch war und maschinell entstand – im Gegensatz zur Malerei oder Skulptur, die klar als menschliche Handarbeit galten. Erst mit der Zeit wurde Fotografie als eigenständige Kunstform anerkannt. Ich denke, mit KI passiert gerade etwas Ähnliches. Sie wird bestehende Ausdrucksformen wie Malerei, Fotografie oder Illustration nicht ersetzen – aber sie kann sie ergänzen. Es entstehen neue visuelle Sprachen, neue Werkzeuge und neue Möglichkeiten. Und genau das macht diese Entwicklung so spannend.
Wie verändert sich die Strategieentwicklung für Marken im digitalen Raum?
Einerseits eröffnet sie neue Kanäle, Formate und Tools, die es ermöglichen, gezielter, schneller und datenbasierter zu kommunizieren. Künstliche Intelligenz, Automatisierung und Predictive Analytics machen es einfacher, das Verhalten von Zielgruppen zu analysieren und Strategien in Echtzeit anzupassen. Gleichzeitig verändert Technologie auch die Erwartungen der Nutzerinnen und Nutzer: Marken müssen heute nicht nur sichtbar, sondern auch relevant, authentisch und dialogbereit sein – auf allen Kanälen. Inhalte werden schneller konsumiert, Trends wechseln rasant, und es braucht eine hohe Flexibilität in der strategischen Planung. Ich denke, erfolgreiche Markenstrategien entstehen heute weniger im stillen Kämmerlein, sondern sind dynamische Prozesse, die laufend überprüft, getestet und angepasst werden – mit Technologie als Treiber, aber auch als Werkzeug für mehr Menschlichkeit und echte Nähe zur Zielgruppe. Einfacher ist es dadurch nicht unbedingt geworden – im Gegenteil: Man muss heute viel mehr bewegliche Teile im Blick behalten. Aber es ist schlichtweg die Richtung, in die sich alles entwickelt hat.
Was brauchen Marken der Zukunft, um visuell relevant zu bleiben?
Am Ende geht es immer darum, «of the moment» zu sein. Klar, es gibt Legacy Marken – aber die, die wirklich erfolgreich bleiben, schaffen es irgendwie, auch heute noch relevant zu wirken. Dafür braucht es eine leise Aufmerksamkeit, ein feines Gespür für die Gegenwart – und Authentizität. Gerade diese Echtheit, die wir in der neuen Generation beobachten, wird in der Ära von KI noch wichtiger. Wenn der nächste Technologiesprung uns vom klassischen Bildschirm oder Gerät wegführt – wie wird Marketing dann überhaupt vermittelt? Wird es näher, direkter, vielleicht sogar durchdringender? Es gibt da viele offene Fragen. Wird unsere Zukunft eher wie Black Mirror aussehen – oder wie Back to the Future? Aus professioneller Sicht hoffe ich jedenfalls, dass Marketing und Design wieder kreativer und innovativer werden. So wie in den 50er-Jahren bei Mad Men – mit mutigem, aussergewöhnlichem Denken, das neue Wege geht.
Welche Trends oder Entwicklungen beobachtest du aktuell besonders aufmerksam?
Ich beobachte mit grossem Interesse die neue Form von Authentizität, die sich gerade auf vielen Plattformen durchsetzt. Es ist eine erfrischende Gegenbewegung zum hyperkuratierten, minimalistischen Millennial-Stil. «Millennial Beige» sagt ja eigentlich schon alles. Gen Z hat in Design, Social Media und Interior eine völlig neue Ästhetik geprägt – laut, bunt, maximalistisch. TikTok lebt von dieser rohen, ungeschönten Authentizität, und Instagram zieht mit dem «Foto-Dump»-Trend nach. Interior Design ist selbstbewusst, mutig, oft überladen – und das macht richtig Spass. Auch die KI-generierte Kunst, die ich derzeit sehe, ist alles andere als minimalistisch. Sie ist to the max. Und irgendwie passt gerade alles perfekt zusammen. Gleichzeitig sehe ich einen anderen Designtrend, der fast brutalistisch wirkt: dicke Linien, Blockschrift, plakative Gestaltung. Dieser Stil erinnert teilweise an den Ostblock und taucht immer öfter auf. Ich frage mich, ob das eine visuelle Reaktion auf den aktuellen Maximalismus ist – oder vielleicht auch ein Spiegel des politischen Weltgeschehens. Es wirkt roh, direkt, fast trotzig. Was kommt als Nächstes? Wie reagieren wir als Gesellschaft auf vier Jahre Trump, auf Klimakrise, auf Digitalisierung und Informationsflut?
Die Politik ist ein starker gesellschaftlicher Treiber, Technologie ein anderer. Was beobachtest du da?
Ein spannender Punkt ist die technische Entwicklung weg vom Smartphone. OpenAI zum Beispiel will künftig auf Wearables setzen – weg vom Bildschirm, hin zu direkterer Interaktion. Und ehrlich gesagt: Ich sehne mich danach. Dieses ständige Scrollen, der «Casino-Effekt» von Social Media – ich merke selbst, wie ich nur kurz eine Signal-Nachricht lesen will und plötzlich auf einer ganz anderen App lande, irgendetwas konsumiere und dann völlig vergesse, was ich ursprünglich tun wollte. Diese Momente sind nicht nur nervig, sie sind auch zeitraubend. Der Algorithmus funktioniert fast wie ein Dealer – viele Menschen verlieren Stunden ihres Lebens auf diesen Plattformen. Deshalb finde ich die Idee spannend, KI so einzusetzen, dass man wirklich nur die Informationen bekommt, die man braucht – und gleichzeitig die eigene Perspektive erweitert. Das wäre wirklich innovativ.
Glaubst du wirklich, dass KI uns weniger abhängig machen wird?
Ja, das bleibt die Frage: Wird KI uns abhängiger machen – oder befähigen? Ich sehe beide Seiten. Einerseits gibt es den Vorwurf, KI mache uns dümmer. Andererseits kenne ich Menschen ohne IT-Hintergrund, die dank ChatGPT heute programmieren können. Das ist echte Demokratisierung von Wissen. Am Ende kommt es – wie so oft – darauf an, wie man es nutzt.
Gibt es ein Tool oder eine Innovation, von der du dir wünschst, sie wäre schon Realität?
Die Schminkmaschine aus The Fifth Element? Hoverboards aus Back to the Future? Fliegende Autos? Ganz ehrlich – wenn man sich anschaut, was wir uns in den 80er- und 90er-Jahren vorgestellt haben, sind wir heute irgendwie ganz schön hinterher. Was ich mir wirklich wünsche: einen ökologischen Schnellflug. Ein Flug, der umweltfreundlich ist, aber trotzdem in kürzester Zeit von A nach B bringt. Ramen in Osaka zum Zmittag? Done. Am Freitagabend ins Broadway-Theater in New York? Unbedingt. Das wäre für mich eine echte Zukunft.
Der Kostendruck nimmt zu. Wie findest du die Balance zwischen kleinen Budgets und ästhetischem Anspruch?
Ich denke dabei sofort an das bekannte Venn-Diagramm: Good – Cheap – Fast. Man kann nicht alles gleichzeitig haben. Gut und schnell? Teuer. Schnell und günstig? Dann leidet die Qualität. Neulich habe ich eine super Podcast-Episode vom Same Same Studio aus Wien gehört. Die beiden Gründerinnen haben als sehr kleines Studio angefangen – hatten aber das Glück, gleich zu Beginn für Kylie Jenner die Kosmetik-Website zu gestalten. Seither sind sie sehr erfolgreich und entwickeln wirklich schöne Webprojekte. Was sie in ihrer Arbeit mit globalen Brands gelernt haben: Value Based Pricing ist entscheidend. Ein Logo für ein kleines Yogastudio hat nicht denselben Wert wie ein Branding für On Shoes oder Apple – auch wenn der Designaufwand in der Umsetzung vielleicht ähnlich wirkt. Es geht um den Wert, den der Kunde mit Hilfe des Designs generiert. Und genau das sollte die Preisgestaltung bestimmen. Ich finde diesen Ansatz extrem sinnvoll. Denn wenn ein grosses Unternehmen mit Mini-Budget kommt, kann ich als Anbieterin schneller entscheiden, ob sich das Projekt lohnt – weil ich verstehe, welchen Gegenwert meine Arbeit eigentlich schafft. Ansonsten landen wir eben wieder im bekannten Spannungsfeld: Günstig und gut? Oder günstig und schnell? Der Preis beeinflusst die Ästhetik ganz direkt – je mehr Zeit ich habe (und bezahlt bekomme), desto kreativer kann ich arbeiten.
Also bleibt die aufgewendete Zeit doch zentral – schliesslich will niemand gratis arbeiten?
Es gibt dazu ein tolles Video von John Cleese über Kreativität und das Konzept des «Nichtstuns». Er beschreibt, wie essenziell es für kreative Prozesse ist, sich Zeit zum Nachdenken und Staunen zu nehmen. Heute wollen wir alles besser, schneller, effizienter – besonders mit KI. Aber Fakt ist: Wir haben ein Gehirn, das Raum braucht. Und auch wenn wir manchmal schnell liefern müssen, sollte es auf der anderen Seite immer auch Raum geben für Entwicklung, für Iterationen. Denn: Reiteration, Reiteration, Reiteration – nichts ist beim ersten Versuch perfekt.
Was gehört eigentlich in ein Briefing für eine Designerin?
Am wichtigsten ist: sich im Voraus Gedanken machen. Eine grobe Idee reicht oft nicht – es hilft enorm, wenn man sich bereits visuell inspirieren lässt, zum Beispiel über Pinterest oder ein paar konkrete Beispiele via Google. So kann man die eigene Vision besser vermitteln und erste Vorstellungen kommunizieren. Wichtig ist auch, den Umfang – also den Scope – des Projekts möglichst klar zu definieren: Geht es nur um ein Plakat, oder soll auch eine Social-Media-Kampagne dazugehören? Ist es eine einfache Onepager-Website, oder braucht es zusätzliche Seiten? Oft passiert es, dass Kunden den gesamten Denkprozess an die Kreativen abgeben möchten – was verständlich ist, aber zeitaufwändig werden kann, wenn zu Beginn nicht klar ist, was genau gebraucht wird. Darum biete ich bei grösseren Projekten heute immer mindestens einen kleinen Workshop an. Denn gerade im heutigen Marketingumfeld ist ein holistischer Blick entscheidend. Wenn zum Beispiel eine Website entstehen soll, frage ich mich: Versteht die Kundin ihr eigenes Branding wirklich? Wurden Tonalität, Werte und visuelle Sprache bewusst definiert? Ich muss die Marke ganz genau kennen, damit ich im Webdesign, in Grafiken und in der Kommunikation die richtigen Elemente einbringen kann. Je klarer das Fundament, desto konsistenter und wirkungsvoller wird das Resultat – über alle Kanäle hinweg.
Und was ist deine persönliche Philosophie bei der Arbeit?
Meine Arbeitsphilosophie ist geprägt von Klarheit, Empathie und einem ausgeprägten Sinn für Ästhetik. Ich arbeite lösungsorientiert und mit einem offenen Blick für die Menschen hinter einem Projekt – sei es ein Social-Media-Konzept für ein kleines Café oder ein Branding für einen Kulturort. Mir ist wichtig, dass Kommunikation nicht nur funktioniert, sondern sich auch gut anfühlt – für Kundinnen und Kunden genauso wie für die Zielgruppe. Ich glaube daran, dass gutes Design und durchdachte Strategien nicht laut sein müssen, um Wirkung zu zeigen – sie dürfen nahbar, ehrlich und intuitiv sein. Gleichzeitig liebe ich es, Dinge anzustossen, Strukturen aufzubauen und kreative Prozesse aktiv mitzugestalten. Besonders im digitalen Raum geht es mir darum, authentische Markenwelten zu schaffen, die sowohl visuell als auch inhaltlich berühren. Und ganz praktisch: Ich arbeite gern effizient – aber nicht unter Zeitdruck um jeden Preis. Qualität, Vertrauen und eine gute Zusammenarbeit stehen für mich immer im Vordergrund.
Gibt es ein Projekt, das deine Philosophie besonders gut widerspiegelt?
Ein Projekt, das meine Arbeitsphilosophie sehr gut widerspiegelt, war ein Webprojekt für eine grössere Logistikfirma, das ich in meinem letzten Job betreut habe. Ich konnte mit einem kleinen Branding-Workshop starten – und genau dieser Einstieg hat zu einem sehr ganzheitlichen Resultat geführt. Ich hatte die Zeit, die Marke gemeinsam mit dem Kunden zu hinterfragen und besser kennenzulernen – und sicherzustellen, dass auch sie selbst ein klares Bild ihrer Marke hatten. Dieser erste, bewusst gesetzte Schritt war entscheidend: Wenn man sich früh auf Augenhöhe begegnet, kann man die Wünsche, Ästhetik und Visionen der Kunden viel besser verstehen – auch wenn sie diese vielleicht nicht ganz präzise formulieren können. Auf dieser Basis liess sich das Projekt viel fokussierter umsetzen. Das Webdesign wurde nicht nur gestalterisch klarer, sondern beeinflusste auch die Kommunikation und Social-Media-Strategie. Ein weiteres Projekt, auf das ich sehr stolz bin, ist meine Arbeit bei WILD Pharma. Auch dort konnte ich mit einem ausführlichen Branding-Workshop starten – gemeinsam mit den Stakeholdern haben wir zentrale Markenwerte und den Tonfall der Kommunikation definiert. Weil wir diese Grundlagen so klar erarbeitet hatten, war es im nächsten Schritt sehr einfach, Moodboards, Textbausteine und eine konsistente Kommunikationslinie zu entwickeln.Ich habe in diesem Projekt eng mit einer sehr talentierten Fotografin zusammengearbeitet. Gemeinsam konnten wir eine sehr persönliche Bildsprache für Social Media und die Unternehmenskommunikation entwickeln. Wir haben viele Freundinnen und Freunde von mir als Models eingesetzt, was den Inhalten einen besonders authentischen und einladenden Eindruck verliehen hat. Das Ergebnis war stimmig – und hat die Marke visuell wie inhaltlich zum Leben erweckt. Beide Projekte haben mir gezeigt: Selbst wenn ein Kunde nur eine einzelne Leistung anfragt, ist es unsere Verantwortung, tiefer zu gehen und die Anatomie der Marke wirklich zu verstehen.
Wie bist du eigentlich zu deinem Beruf gekommen?
Ich habe ursprünglich Kunstgeschichte studiert, konnte aber dank meines Professors an der Bauhaus-Universität Weimar – der später auch meine Bachelorarbeit betreute – die Fakultät wechseln und in einem neuen Land und einer neuen Hochschule im Bereich Design weitermachen. Ohne diesen Schritt wäre ich wahrscheinlich ganz woanders gelandet. Durch seine Empfehlung bekam ich auch mein erstes Praktikum bei einem Verlag – er hat mehr für meine Karriere getan, als er vermutlich weiss. Ein weiterer wichtiger Meilenstein war mein erster Job nach dem Studium. Wie viele junge Absolventinnen wollte ich nur spannende Projekte machen – doch ich habe gelernt, dass auch scheinbar einfache Aufgaben wertvoll sind, wenn man sie mit Hingabe und hoher Qualität umsetzt. Mein damaliger Chef hatte hohe Ansprüche, und ich bin sehr dankbar für das, was ich bei ihm lernen durfte – vor allem, wie man Projekte durchdacht angeht und stetig besser wird. Heute arbeite ich selbständig unter dem Namen Fresh Agency und begleite Kundinnen und Kunden in den Bereichen Branding, Social Media und Web. Ich freue mich immer über kreative Austausche oder neue spannende Projekte – einfach via Website oder LinkedIn melden.
Festanstellung, Selbständigkeit oder Freelance – was ist am besten?
Für mich sind Freelancer und Selbständigkeit eigentlich das Gleiche. Ich schätze vor allem die Flexibilität. Aber: Man muss verfügbar sein – besonders bei Web- oder Social-Media-Projekten. Man ist dann nicht nur Designerin, sondern auch IT-Support, Community Managerin und manchmal auch Troubleshooterin. Das kann schnell sehr viel werden. Die grösste Herausforderung ist dann oft die Work-Life-Balance. Andererseits kenne ich auch viele Festangestellte, die enorm viel leisten – teilweise zu viel. Und ich kenne Freelancer, die deutlich weniger arbeiten als früher und dabei sogar mehr reisen oder leben können. Am Ende geht es um kluge Entscheidungen – und um ein gutes Netzwerk. Entweder man hat das Glück, einen wirklich guten Chef oder eine gute Chefin zu haben – oder man hat tolle Stammkundinnen, mit denen die Zusammenarbeit einfach läuft. Ich habe beides erlebt. Und der grosse Vorteil an der Selbständigkeit ist für mich ganz klar: die Freiheit, selbst zu gestalten.
Was ist das Wichtigste, was deine Kundinnen und Kunden über dich wissen sollten?
Meine Kundinnen und Kunden sollen wissen: Ich bin nicht einfach nur eine Dienstleisterin – ich bin eine kreative Mitdenkerin. Ich begleite Projekte mit Herz, Struktur und einem feinen Gespür für Ästhetik. Mein Ziel ist es, eure Marke wirklich zu verstehen – und gemeinsam mit euch auch die Facetten zu entdecken, an die ihr vielleicht selbst noch nicht gedacht habt. Mir ist eine authentische, partnerschaftliche Zusammenarbeit wichtig. Es geht nicht nur darum, Aufgaben abzuarbeiten, sondern gemeinsam etwas zu entwickeln, das sich stimmig, ehrlich und nachhaltig anfühlt. Ich bringe Erfahrung in Design, Social Media und digitaler Kommunikation mit – aber vor allem auch ein Gespür dafür, was zu euch passt: visuell, strategisch und menschlich. Ich arbeite flexibel, lösungsorientiert und mit einem offenen Ohr für eure Ideen und Bedürfnisse. Mein Angebot richtet sich besonders an kleine Unternehmen, Selbstständige und lokale Betriebe, die ihre Marke sichtbar machen oder sich im Alltag entlasten möchten – sei es bei der Content-Erstellung, im visuellen Auftritt oder in der strategischen Planung. Gemeinsam bringen wir Ordnung, Klarheit und Kreativität in euren Auftritt.
Du hast auch noch ein persönliches Projekt, das dir sehr am Herzen liegt. Worum geht es dabei?
Aktuell baue ich mit grosser Leidenschaft Friendly Spaces auf – das erste familienfreundliche Label der Schweiz. Als Mutter habe ich schnell gemerkt, wie wenig öffentliche Infrastruktur es hier für junge Familien gibt. Inspiriert hat mich eine Reise nach Japan, wo Familien überall willkommen sind – mit durchdachter Ausstattung in Restaurants, Wickelplätzen, Spielsachen, Notfallsets etc. Mit Friendly Spaces möchte ich ein Netzwerk zwischen Familien und familienfreundlichen Betrieben schaffen – und Unternehmen aktiv dabei unterstützen, sich besser auf Familien einzustellen. Der offizielle Launch ist im September, und ich freue mich riesig auf die nächste Phase. Wer Tipps für tolle Orte hat oder selbst mitmachen will: friendlyspaces.ch.
Was möchtest du uns mit auf den Weg geben, worauf wir achten sollten?
Achtet bewusst auf das, was echt ist. In einer Zeit, in der wir täglich mit perfektem Content, KI-generierten Bildern und algorithmischen Empfehlungen überflutet werden, wird Authentizität zum wertvollsten Gut – im Design, im Marketing, aber auch im Alltag. Hinter jeder Marke, jedem Projekt und jedem Tool stehen Menschen, Ideen, Geschichten. Diese Tiefe zu erkennen – und zu bewahren –, macht den Unterschied. Ich glaube fest daran, dass Technologie – besonders KI – uns nicht davon abhalten sollte, menschlich zu bleiben. Im Gegenteil: Wenn wir sie klug einsetzen, kann sie uns helfen, Raum für Kreativität, Reflexion und echte Verbindung zu schaffen. Aber wir müssen wach bleiben, kritisch denken und Verantwortung übernehmen – als Gestaltende, als Konsumierende, als Mitmenschen. Deshalb: Neugierig bleiben. Fragen stellen. Zuhören. Und Mut haben, Dinge auch mal anders zu machen.
Über Jazmine DeCaro
- Art Director, Creative Technologist, Freelancer/Gründerin Fresh Agency und Gründerin Friendly Spaces
- Bachelor of Arts in Visuelle Kommunikation, Bauhaus Universität Weimar
- CAS Design Management, CAS Online Media & Campaign Management, Luzern Hochschule der Kunst
- Illustratorin, Grafikerin, Social-Media Managerin, Front-End Designerin, KI Technologist
Websites besuchen: agency-fresh.com und friendlyspaces.ch